Zwillinge
Es ist erstaunlich wie unterschiedlich die Reaktionen auf Zwillinge sind. Von „oh mein Gott, das ist ja sicher viel Arbeit“ über „da ist das Thema ja in einem Rutsch erledigt“ bis hin zu „wie toll, ich bin auch ein Zwilling.“
Wir haben uns total über die Nachricht gefreut, dass wir Zwillinge bekommen. Nie kam uns der Gedanke, dass wir überfordert sein könnten oder erschöpft und ausgelaugt. Das Glück hat alles dermaßen überschattet, da hatten nur positive Gefühle und Gedanken Platz.
Liebe hoch zwei
Es war mit die schönste Zeit, als die beiden auf die Welt kamen und Julia und ich gemeinsam in Elternzeit waren. Wir hatten das große Glück davon zu profitieren, dass der Staat „doppeltes Elterngeld für Zwillingseltern“ für kurze Zeit ins Leben gerufen hatte.
14 Monate gemeinsame Elternzeit
Auch wenn alles neu war mit zwei Babies, mit neuen Abläufen, Terminen und Sorgen, so hatten wir doch eine unglaublich entspannte Zeit. Wenn ich mir die Videos von damals ansehe, merke ich, wie behütet und entschleunigt unser kleines Reich hier war.
Da war meist ein Gegacker von einem der Jungs, der etwas neues entdeckte, ein Geklapper, weil eine von uns in der Küche beschäftigt war oder eine Spieluhr, die leise vor sich hindudelte.
Glücklich trotz wenig Schlaf
Damit keiner zu kurz kommt, hatten wir einen Block, auf dem wir festgehalten hatten, wer wann und welche Menge getrunken hat. Als mir der Block vor kurzen in die Hände fiel, war ich mega überrascht, dass wir nachts tatsächlich selten länger als 40 Minuten am Stück geschlafen hatten. Meistens viel weniger.
Doch meine Wahrnehmung damals war eine ganz andere. Ich fühlte mich nicht erschöpft oder genervt, wenn ich aufstehen musste, sondern bin gerne zu ihrem Bettchen gegangen um diese kleinen warmen Menschlein zu umsorgen.
Guten Morgen Lieder
Oft war die Nacht ab 5 Uhr dann auch schon beendet. Das war anstrengend! Da lagen die beiden dann auf ihrer Decke im Wohnzimmer und wollten unterhalten werden. Was haben wir gesungen … stundenlang!
Die glorreiche Idee war dann, dass wir uns mit dem aufstehen abwechseln. Einmal stand Julia früh auf, am nächsten Tag ich. So hatte jede von uns einen Morgen zum ausschlafen. Das war perfekt um Energie zu tanken und Schlaf nachzuholen.
Brüder & Freunde
Wir hatten oft das Luxusproblem, dass andere Kinder unsere gerne treffen wollten. Doch nach einigen Verabredungen stellten wir fest, dass wir die 3-er Konstellation als äußerst kompliziert empfanden. Es war selten möglich, zu dritt friedlich zu spielen. Ob zuhause oder auf dem Spielplatz, nach einer gewissen Zeit war einfach einer zu viel und es gab Ärger.
Was anderen Kindern fehlte, war für unsere von Beginn an eine Selbstverständlichkeit – ein gleichaltriger Spielkamerad, der einen versteht, Interessen teilt und da ist.
Ein starkes Team…
Wie oft haben wir unsere Söhne beobachtet und einfach nur gesagt, wie gut, dass sie sich jetzt haben. Da sind sie zusammen los gezogen, haben mutig die Spielplätze erkundet, Bildchen eingeklebt oder die Brötchen beim Bäcker gekauft. Es muss unglaublich schön sein, zu wissen, dass da immer einer an der Seite steht.
… das uns oft wahnsinnig macht
Zum Verzweifeln ist es allerdings auch, dass sich die beiden regelmäßig das Leben zur Hölle machen. Mit Sticheleien und Kleinkram, der wohl leider zur Entwicklung gehört und bestimmt für irgendwas gut ist: „Der hat meine Stifte genommen ohne zu fragen und jetzt darf ich nicht mit seinen malen“. Ich gebe zu, ich bin noch dabei nach dem Sinn solcher Konflikte zu suchen.
Zwillinge im Kindergarten
Ich erinnere mich noch genau an den Anmeldetag im Kindergarten, als wir erfahren haben, dass unsere Kinder in unterschiedliche Gruppen kommen. Wir hatten uns überhaupt keine Gedanken darüber gemacht und fragten uns, wie es für die beiden wohl ist, nach 3 Jahren Seite an Seite nun für einige Stunden getrennt zu sein.
Einem fiel es leichter
Dass die beiden sehr unterschiedliche Charaktere sind, war uns schon immer klar und wurde im Kindergarten noch deutlicher. Während das Abgeben für den einen schwer war und die Trennung furchtbar, fiel es dem anderen deutlich leichter. Zum Glück wurde das in unserem Kindergarten erkannt und sie bekamen genau die Aufmerksamkeit, die sie brauchten. Dennoch wünschten sich unsere beiden immer wieder, in einer Gruppe zu sein – was allerdings nie ernsthaft zur Diskussion stand.
Zwillinge in der Schule
Bevor die Schule begann, konnten die Kinder Wünsche angeben, mit welchen Kindergartenfreunden sie am liebsten in eine Klasse kommen wollten. Für unsere Söhne war klar, auf jeden Fall mit dem Bruder, danach erst kamen andere Namen. Ein Jahr haben wir als Eltern uns intensiv damit auseinandergesetzt, was in dieser Hinsicht wohl das beste ist und alle Vor- und Nachteile versucht abzuwägen. Die Schule signalisierte Offenheit.
Umso überraschender war für uns dann die Mitteilung, dass sie in getrennte Klassen kommen sollten, denn inzwischen waren wir überzeugt, dass es tatsächlich das Richtige wäre, wenn sie in dieselbe Klasse gehen. Zum Glück konnten wir die Schulleiterin überzeugen und haben nun schon mehrfach die Bestätigung von ihren Lehrerinnen bekommen, dass es für alle die richtige Entscheidung war!
Eineiige vs zweieiige Zwillinge
Allerdings haben wir auch zweieiige Zwillinge, die sehr gut auseinander gehalten werden können. Ich könnte mir vorstellen, dass unsere Entscheidung bei eineiigen Zwillingen anders ausgefallen wäre. Hier kann es durchaus passieren, dass einen die Klassenkameraden nicht als Individuum wahrnehmen, sondern immer nur im Doppelpack. Was der eine kann, kann der andere natürlich auch. Dass es dabei schwer fällt eine eigene Persönlichkeit und seinen eigenen Freundeskreis aufzubauen liegt auf der Hand.
Fazit
Am Ende ist es in meinen Augen eine sehr individuelle Entscheidung und hängt davon ab, wie die Geschwister miteinander auskommen. Wenn sie nur zusammen hängen, eine Geheimsprache haben oder einer den anderen in den Schatten stellt, sind getrennte Klassen wohl besser. Wenn sie sich stärken, sich gut tun und gegenseitig unterstützen macht eine gemeinsame Klasse Sinn.
Habt ihr auch Zwillinge oder kennt jemanden, der vor dieser Entscheidung steht? Wie würdet ihr das machen?
Eure Nicki